Die Oberhessische Presse schrieb am 17.06.2015:
Pianist Martin Stadtfeld am Gymnasium Philippinum
Ein Weltstar spielt für Schüler
Zuletzt war Starpianist Martin Stadtfeld noch auf Tournee in Japan und Korea, bald wieder unterwegs auf den großen Bühnen der Welt – und zwischendurch zu Gast am Philippinum in Marburg.
Marburg. Der Pianist Martin Stadtfeld besuchte am Montag die Schülerinnen und Schüler des Marburger Gymnasiums und präsentierte sich dort als Star zum „Anfassen“. Für den 34-jährigen Klassik-Weltstar ist es fast schon eine liebgewordene Tradition:
Immer wieder nimmt sich der viermalige Klassik-Echo-Preisträger zwischen seinen Auftritten Zeit für Schüler. Dann spielt der vielbeschäftigte Musiker kleine Konzerte an Schulen, beantwortet Fragen und gibt dem musikinteressierten Nachwuchs Tipps mit auf den Lebensweg.
Einer dieser Tipps brachte die mehr als 300 Schüler im vollgestopften Kultidrom der Schule richtig zum Raunen: „Ich habe nie mehr als zwei Stunden geübt“, verriet der Stargast. „Fünf Stunden Üben, ohne dass der Kopf oder das Gefühl dabei sind, bringt nichts. Da sind zehn Minuten effektives Üben viel besser“, erklärte Stadtfeld seine Proben-Philosophie.
Schüler genießen die besondere Musikstunde
Dass dennoch – oder eben gerade deswegen – ein hervorragender Pianist aus ihm geworden ist, belegen nicht nur inzwischen elf Studioalben, sondern auch Stadtfelds Live-Performance am Flügel: Der Tastenvirtuose spielte bekannte Stücke seines Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach: Los ging’s mit einem Auszug aus dem „Wohltemperierten Klavier“. Dazu erklärte Stadtfeld: „Bach war ein echter Revoluzzer. Was er geschrieben hat, gefiel damals nicht jedem.“
Die überwiegend musikbegeisterten Schüler des Philippinums und der Martin-Luther-Schule genossen die Vorstellung aber sichtlich. Viele erkannten auch die Toccata in d-Moll von Bach. Mit dem dreiteiligen „Capriccio über die Abreise des geliebten Bruders“ zeigte Stadtfeld auch die emotionale Seite von Bachs Frühwerk. „Das Stück drückt Glück und Traurigkeit aus, Gefühle, die jeder kennt. Deswegen erreicht uns diese Musik auch 300 Jahre später immer noch“, machte Stadtfeld Werbung für die Musik aus der Zeit von Bach, Beethoven und Mendelssohn.
Der junge Pianist hatte sichtlich Spaß, für das aufmerksame Publikum zu spielen und Fragen seiner Zuhörer zu beantworten. Durchweg präsentierte sich der Vater eines kleinen Sohnes als nahbarer Star, der nur zu gerne Einblicke in seine Karriere und sein Leben gewährte. Mit sechs begann Stadtfeld mit dem Klavierspiel, gab mit neun sein erstes Konzert und studierte ab dem Alter von 14 Jahren an der Frankfurter Musikhochschule.
Profi hört sich Spiel der Schüler an
„Haben Sie eigentlich auch andere Hobbys?“, kam dann sogleich die Replik aus der Zuhörerschaft. Die wollte zudem wissen, ob Stadtfeld auch eigene Stücke komponiert habe. Die Antwort gab der Solo- und Ensemble-Pianist natürlich an den Tasten, präsentierte eine selbst erdachte „Fantasie“ über ein Fugen-Thema von Bach.
Danach überließ der sympathische Profi zwei Schülerinnen den Flügel. Die Abiturientinnen Jenny Li und Clara Pilgrim spielten ebenfalls Stücke von Bach. Stadtfeld hörte den jungen Frauen aufmerksam zu und gab ihnen Anregungen für Dynamik und Phrasierung mit auf den Weg.
Auch andere musikbegeisterte Schüler erhofften sich Tipps vom Profi für den möglichen Einstieg in eine Karriere als Musiker. Ob er denn habe überlegen müssen, ob er wirklich Pianist werden wolle, fragt ein Schüler. „Nein“, entgegnet Stadtfeld. „Das, was man gerne macht, sollte man mit Leidenschaft verfolgen“, gab er dem Nachwuchs mit auf den Weg. Das mit dem effektiven Üben hatten sich die jungen Musiker ohnehin nur zu gerne eingeprägt.
von Jouka Röhm