Jedes Jahr erhalten ca. 1000 Oberstufenschüler aus allen Teilen Deutschlands und von deutschen Schulen im Ausland die einmalige Chance, an einem außerschulischen Programm zur Förderung besonders talentierter und leistungsbereiter SchülerInnen teilzunehmen, der Deutschen Schülerakademie (kurz DSA).
Die unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stehende Bildung und Begabung gemeinnützige GmbH veranstaltet jährlich von Ende Juni bis August an verschiedenen Standorten in Deutschland – von Rostock an der Ostsee bis Schelklingen am Rande der schwäbischen Alb – Akademien für jeweils bis zu 95 besonders begabte Schüler. Gefördert wird die Deutsche Schülerakademie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Die Akademien bieten eine intellektuelle und soziale Herausforderung für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
In diesem Jahr wurde mir die Ehre zuteil, an einer solchen Akademie teilzunehmen. Im Frühjahr sprach mich eines Tages Frau Voss an und bot mir an, mich für die Teilnahme an der Deutschen Schülerakademie vorzuschlagen, einem Programm, von dem ich zu diesem Zeitpunkt zugegebener Maßen nicht vielmehr kannte als den Namen. Schnell gelangte ich zu dem Entschluss, an einem solchen Programm teilnehmen zu wollen. Die Entscheidung, für welchen Kurs ich mich bewerben sollte, fiel mir da schon deutlich schwerer. Schließlich bewarb ich mich für den Kurs „Mit Mathematik von Stimmen zu Sitzen – Verhältnis und Personenwahlsysteme im Vergleich“; ich würde mich also mit Wahlsystemen auseinandersetzen, sollte meine Bewerbung angenommen werden. Letztlich wird nämlich nur etwas mehr als die Hälfte aller BewerberInnen zu einer Akademie eingeladen. Nach einigen Monaten des ungeduldigen Wartens auf die Entscheidung über meinen Teilnahmeantrag erhielt ich endlich den erhofften Brief. Ich hatte nun also die Gewissheit, dass ich zwei Wochen meiner Sommerferien nahe der 7.000 Einwohner umfassenden baden-württembergischen Stadt Schelklingen in einem Internat, der Urspring-Schule, verbringen würde. Doch was würde mich dort erwarten?
Das Schuljahr neigte sich schnell dem Ende zu, sodass ich mich nach der Vorbereitung eines Referats für die DSA am 1. August am Rande der schwäbischen Alb in Schelklingen einfand. Schon auf dem Weg vom Bahnhof zum Internatsgelände wurden die ersten Kontakte geknüpft, und man merkte schnell, dass man die nächsten 16 Tage mit Leuten verbringen würde, die eher von sich behaupten würden, „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig“ ,wie es Albert Einstein einst über sich sagte, als dass sie Bildungshochmut aufkommen ließen.
Die TeilnehmerInnen kamen aus allen Teilen Deutschlands und auch von deutschen Schulen in Ägypten, Hongkong, Israel, Italien und Peru. Am Abend versammelten wir uns im Plenum, danach trafen wir uns in unseren jeweiligen Kursen und lernten die Kursleiter kennen. Ausklingen ließen wir den ersten Abend am gemeinsamen Lagerfeuer. Am nächsten Morgen stand nach dem allmorgendlichen Plenum die erste Kurseinheit an. Um über verschiedene Wahlsysteme diskutieren zu können, musste zunächst einmal eine allgemeine Wissensgrundlage erarbeitet werden. Wir definierten den Begriff der Menge und einige Mengenoperationen, beschäftigten uns mit Abbildungen sowie mit Rundungsfunktionen und -regeln und führten Wahlvariablen ein. Nach Erarbeitung der Grundlagen beschäftigten wir uns mit dem grundlegenden Problem: Wenn man gegebene Stimmzahlen und eine gegebene Hausgröße in Sitze umrechnen möchte, benötigt man eine Sitzzuteilungsmethode. Doch welche Kriterien muss eine solche Methode erfüllen, damit sie unseren Vorstellungen von einer gerechten und fairen Sitzzuteilung entspricht?
Nachdem diese zentrale Frage geklärt worden war, konnte man sich den Sitzzuteilungsmethoden widmen. Diese lassen sich im Wesentlichen in zwei Kategorien aufteilen, nämlich in Divisor- und Quotenmethoden, deren Grundgedanke sich simplifiziert durch die Worte „Teile und runde“ bzw. „Teile und ordne“ beschreiben lässt.
Im Folgenden beschäftigten wir uns mit dem neuen Bundeswahlgesetz, mit den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Mängeln, die bestimmte Zuteilungsmethoden aufweisen. Des Weiteren führten wir selbst nach den Maßstäben der Bundestagswahl akademieintern eine Wahl durch, die ein überraschendes – auf Bundeseben nicht denkbares – Ergebnis lieferte.
In den letzten Tagen der Akademie bestand die Arbeit innerhalb des Kurses darin, das Erarbeitete in einer gemeinsamen Dokumentation festzuhalten, was einige Zeit in Anspruch nahm. Besonders hervorzuheben ist hier das Engagement, mit dem sich alle KursteilnehmerInnen an dieser Arbeit beteiligten. Es war keine Seltenheit, sich noch um 22:00 Uhr zu treffen, um gemeinsam zu arbeiten.
Zwar fiel der Einstieg in das Kurs-Thema anfangs noch etwas schwer, jedoch fand man recht schnell den Zugang zum Thema, sodass auch das teils hohe universitäre Niveau keine Hürde mehr darstellte. Unsere Kursleiter gaben sich große Mühe, uns für das Kurs-Thema zu begeistern, mit Erfolg, wie sich abschließend sagen lässt. Förderlich war hier die besondere akademieinterne Atmosphäre, die wenig mit dem Verhältnis Lehrer-Schüler gemein hat. Auf die Einführung hierarchischer Strukturen wurde verzichtet: Man sprach einander beim Vornamen an und arbeitete miteinander. So kam es, dass das gemeinsame Lernen die Kursteilnehmer verband und viel Spaß bereitete und sich erheblich von dem schulischen Lernprozess unterschied.
Neben der Arbeit in den Kursen hatten wir jedoch auch viel Freizeit, in der sogenannte kursübergreifende Angebote (kurz KüAs) angeboten wurden. Ein jeder Teilnehmer/ Eine jede Teilnehmerin konnte eine KüA anbieten und so bot sich einem eine große Vielfalt an KüAs: Man konnte sich sportlich betätigen bei Aktivitäten wie Volleyball, Badminton, Fußball und Ultimate Frisbee oder auch an philosophischen und politischen Diskussionsrunden teilnehmen, verschiedene Tänze ausprobieren, gemeinsam Filme schauen, Kabarettstücke einstudieren und vieles mehr. Schnell knüpfte man so Kontakt zu TeilnehmerInnen anderer Kurse. Der akademieinterne Chor, die Band sowie die verschiedenen musikalischen Ensembles präsentierten ihre Arbeit am vorletzten Akademietag in einem öffentlichen Konzert.
Insgesamt war meine Teilnahme eine sehr schöne und unvergessliche Erfahrung, die ich im Nachhinein nicht missen wollen würde. Es war sehr erquicklich zu erleben, wie wunderbar es sein kann, mit ähnlich interessierten und talentierten jungen Erwachsenen gemeinsam zu lernen, sich auszutauschen und gemeinsam Zeit zu verbringen, und ich kann jedem, der die Chance dazu erhält, eine Teilnahme an einer solchen Akademie nur empfehlen.
Lukas-Daniel Prenzel, Q3