„Isabella, was machst du an Pfi ngsten?“ – „Äh… Ich glaube...
Nichts?“ – „Alles klar, du bist in Rom.“
Ah ja. Nun, warum nicht? Ich wusste zwar nicht, aus welchem
Grund – aber wer widersetzt sich schon, wenn es um
Rom geht?! Ich packte also, vollkommen ungläubig, in Gedanken
schon einmal meinen Koff er, während ich erfuhr, dass der
Reise ein Lateinwettbewerb zugrunde liegen sollte, der auch
nicht eigentlich in Rom, sondern in Arpino, der in der Nähe
gelegenen Geburtsstadt Ciceros, stattfinden würde. Es folgten
Erleuchtung („Aah, darum geht’s also!“) und gleich darauf
Panik („Waaas? ICH? Internationaler Lateinwettbewerb?!),
doch nachdem ich zu dem Schluss gekommen war, dass es ja
schließlich nicht nur erste Plätze geben kann und mich schon
niemand umbringen würde, wenn ich ohne Platzierung nach
Hause käme, gewann sofort wieder die Vorfreude die Oberhand
(„Ich fahre nach Rom, nach Rom, nach Rom!!!“), und ich
packte munter weiter.
Die Planung der Anreise („Eigentlich fahren ja fast alle
Deutschen mit dem Zug, aber ich fahre nicht mit dem Zug.
Wir fl iegen.“) sowie die eines kurzen Romurlaubs („Ich werde
versuchen, den Flug für einen Tag früher zu buchen, sodass
wir noch ein wenig die Stadt genießen können.“) waren off ensichtlich
schon in vollem Gange, sodass uns im Grunde nichts
anderes übrig blieb, als alles den kompetenten Händen Herrn
Kubuschs zu überlassen und zu warten. Uns, das heißt Christoph
Schepp und mir, es dürfen nämlich von jeder Schule immer
zwei Kandidaten teilnehmen.
Und so brachen wir dann auch eines schönen Tages gegen 4
Uhr morgens auf. Frisch und munter, versteht sich. Doch kaum
in Rom angekommen, hatte uns die unvergleichliche Atmosphäre
der Stadt bereits in ihren Bann gezogen – ein sonniges
Glückgefühl, lächelnde Gelassenheit, sorglose Großzügigkeit,
ewiger Optimismus und Ruhe; Energie und Tatendrang;
Schnelligkeit ohne zu einem Scherz aufgelegte Italiener. Erwartungsvolle, gespannte,
begeisterte Touristen (von denen wir uns ja eigentlich
in nichts unterschieden, war es doch für uns alle das erste
Mal in Rom). Zeitzeugen jeder Epoche, harmonisch nebeneinander.
Alt und neu, erhalten, rekonstruiert oder fast nicht
mehr existent und der Phantasie überlassen, die einem wie
von selbst Bilder prächtiger Tempel, würdevoller Senatoren,
fl orierender, beeindruckender Zivilisation liefert. Romantik.
Sonne. Dutzende von Kirchtürmen. Lachende Geschäftigkeit.
Die ewige Angst, überfahren zu werden. Cafés, Restaurants,
wohin das Auge blickt, stets gefüllt. Buntes Treiben, Tag und
Nacht. Verzweifl ung nur angesichts der schier unendlichen
Menge von Möglichkeiten, seine Zeit zu füllen, und eben dieser
Zeit, die viel zu schnell vergeht. So, wie man es sich eben
vorstellt. Faszination. Rom.
Also verloren wir keine Zeit und überließen uns ganz den
Eindrücken, die auf uns einströmten. Ließen, angefangen
beim Forum Romanum, Senatoren vor unserem inneren Auge
in die Kurie eilen, um die Geschicke eines Weltreiches zu lenken,
sahen Cicero von der Rostra aus die Massen mitreißen
und taten es, die Via Sacra entlangspazierend, Horaz gleich,
seine berühmten Verse im Ohr. Erblickten Mark Aurel auf seinem
Pferd und die die Zwillinge säugende Wölfi n, fanden uns
Auge in Auge mit Kaisern und Philosophen wieder. Die verliebten
Pärchen und sich sonnenden Studenten auf dem Gelände
des Circus Maximus machten donnernden Pferdehufen
Platz, Cäsar wurde ermordet und die Piazza Navona geflutet.
Und nur ab und zu schweiften unsere Gedanken ab zu Mitschülern
bzw. Kollegen, die im kleinen Marburg in der Schule
saßen, um sogleich noch ein wenig vergnügter die Stadt zu
betrachten.
Hatten wir auf diese Weise den ersten Tag auf eigene
Faust verbracht, so bekamen wir am folgenden
eine professionelle Führung geliefert – und
zwar von Herrn Fiedler, der die Gruppe der Deutschen,
die mit dem Zug kamen, bereits zum 26.
Mal begleitete, auch selbst unzählige Male Rom
besucht hatte und dementsprechend viel zu erzählen
wusste.
Damit war die Zeit in Rom allerdings auch schon zu Ende,
und am nächsten Morgen, nach einem frühen Erwachen in
Fiuggi di Therme, realisierten wir plötzlich, dass der Wettbewerbstag
bereits gekommen war. Nichtsdestotrotz war die
Atmosphäre vollkommen entspannt und freundlich, von Konkurrenz
war nichts zu spüren, einige Kontakte waren schon am
Vorabend geknüpft worden und viele weitere folgten schnell.
In Arpino, wo die Klausur geschrieben wurde, war schon alles
gerichtet worden, und schließlich wurden die Blätter ausgeteilt.
In fünf Zeitstunden sollte ein Ausschnitt aus der Verteidigungsrede
Ciceros für Sextus Roscius, der des Vatermordes
angeklagt war, übersetzt und in der eigenen Sprache frei kommentiert
werden – angesichts der 16 vertretenen Nationalitäten
durchaus auch eine Herausforderung für die Prüfer.
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Wider alle Befürchtungen war es sowohl im Hinblick auf die Zeit, als
auch auf den Schwierigkeitsgrad bequem zu schaff en und der
Text, abgesehen von dem einen oder anderen auf den ersten
Blick überraschenden inhaltlichen Sprung, auch gut zu verstehen,
sodass fast jeder zufrieden abgab, mit dem guten Gefühl,
die restliche Zeit vollkommen genießen zu können.
Das Programm für die verbleibenden 1 ½ Tage war wundervoll
italienisch – vordergründig gut gefüllt, bot es trotzdem genug
Zeit zum Entspannen und einander Kennenlernen. Arpino,
ein wirklich malerisches Dorf in den Bergen, wurde besichtigt,
genauso wie das berühmte Kloster von Monte Cassino, wo wir
vom Abt mit einer lateinischen Rede empfangen wurden, gefolgt
vom eindrucksvollen Harfenspiel eines Mönchs.
Und schließlich war der mit „Musik im Platz“ angekündigte
Abschlussabend da, was tatsächlich einfach nur bedeutete,
dass einige Boxen auf dem mit zahlreichen europäischen
Flaggen dekorierten Marktplatz aufgestellt wurden – was in
Deutschland wohl zur Folge
gehabt hätte, dass man sich ein
wenig unterhalten hätte, aber
auch eher nur mit Leuten, deren
Bekanntschaft man schon
gemacht hatte, ein paar Bier
getrunken hätte und sich das
Ganze wahrscheinlich ziemlich
schnell verlaufen hätte. Aber – wir waren ja in Italien, und Süden
und Südosten, also Balkan, waren stark vertreten. Folglich
nahm der Abend wider Erwarten einen ganz anderen Verlauf,
und schon nach kurzer Zeit war der gesamte Marktplatz
mit tanzenden und lachenden Jugendlichen gefüllt, die verschiedenen
Nationalitäten vermischten sich, jeder tanzte und
unterhielt sich mit jedem; im Grunde gewann man erst jetzt
einen Überblick über die 500 Schüler, die gekommen waren,
und auch, wenn es ein wenig schade war, dass dies bereits der
letzte Abend sein sollte, so blieb er wohl auch deswegen sicherlich
jedem in schöner Erinnerung.
Am nächsten Morgen erwartete uns die Siegerehrung, und
die Spannung stieg mit jeder weiteren schier endlos erscheinenden
italienischen Rede, die aber problemlos zu verstehen
waren, erst recht nach den einigen Tagen Gewöhnung an die
italienische Aussprache. Schließlich war es soweit, und die –
meist überraschten – Gewinner wurden aufgerufen, unter viel
Jubel, Applaus und Freude für die eigene Nation. Erfreulicherweise
war unter den 15 ersten Plätzen eine Vielfalt von verschiedenen
Nationalitäten vertreten, und obwohl die besten
letztendlich doch wieder obligatorisch von Italienern okkupiert
wurden, schaff ten es auch 3 Deutsche unter die besten
10 – eine gute Bilanz.
Und so denke ich, dass wohl jeder mit einem Lächeln auf
den Lippen zurückgefahren ist, um eine wirklich schöne Erfahrung
und möglicherweise auch interessante Freundschaften
reicher. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Herrn Kubusch für
die Organisation und die nette Begleitung und bei der Schule
dafür, dass sie uns die Teilnahme am Certamen Ciceronianum
ermöglicht hat! Tja, Latein-LK hat eben doch Vorteile.
Isabella Joanna Lukasewitz, jetzt 13
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